Der Durchschnittskosteneffekt oder auch Dollar Cost Average Effekt wird immer wieder Privatanlegern empfohlen, um langfristig einen niedrigen durchschnittlichen Kaufpreis bei Aktien zu erhalten. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dem Cost Average Effekt und noch viel wichtiger, wie sinnvoll ist er? Ich habe dafür 10 verschiedene Anlagestrategien miteinander verglichen, um für euch herauszufinden, ob der Cost Average Effekt wirklich so gut ist, wie alle behaupten.
Als Cost Average Effekt (dt. Durchschnittskosteneffekt) bezeichnet man die Strategie, regelmäßig denselben Betrag in eine Aktie zu investieren unabhängig vom aktuellen Kurs. Aufgrund des dadurch entstehenden niedrigen durchschnittlichen Kaufkurses kann die Strategie sehr gute Renditen erzielen.
Warum dieser Effekt nun so besonders ist und wie er in meiner Analyse im Vergleich zu den anderen bekannten Strategien ausfällt, erfahrt ihr in den nächsten Abschnitten.
Was ist der Cost Average Effekt?
Wenn ihr euch einen Sparplan angelegt habt, bei dem ihr jeden Monat immer denselben Betrag in einen ETF investiert, dann nutzt ihr bereits, ohne es zu wissen, den Cost Average Effekt und schafft euch damit einen niedrigen durchschnittlichen Kaufkurs für euren ETF.
Das Besondere am Cost Average Effekt ist einfach, dass man, unabhängig vom aktuellen Kaufkurs der Aktie oder des ETFs, regelmäßig immer denselben Betrag investiert. Das führt dann nämlich dazu, dass man automatisch bei einem hohen Aktienkurs weniger Anteile kauft und bei einem niedrigen Kaufkurs mehr Anteile kauft.
Euer persönlicher durchschnittlicher Kaufkurs wird somit ganz von alleine niedriger gehalten als der tatsächliche durchschnittliche Kaufkurs der Aktie für eine bestimmte Periode.
Das klingt jetzt erst einmal nicht wirklich nach einer besonderen Anlagestrategie weswegen ich euch an einem Rechenbeispiel zeigen möchte was diesen Effekt so besonders macht.
Ein Rechenbeispiel
Stellt euch vor, ihr investiert jeden Monat 100 EUR in einen ETF auf den MSCI World und im ersten Monat kostet ein ETF Anteil 50 EUR, im darauffolgenden Monat kostet er 100 EUR und im dritten Monat kostet ein Anteil 200 EUR (ich habe die Zahlen bewusst für das Rechenbeispiel so extrem gewählt).
Ohne dass ihr etwas an eurem Sparplan ändert, kauft ihr automatisch mehr ETF Anteile (in diesem Fall 2), wenn der Kurs mit 50 EUR am niedrigsten ist und automatisch weniger Anteile (in diesem Fall 0,5), wenn der Kurs mit 200 EUR am höchsten ist.
Das ist so weit jetzt nicht wirklich überraschend aber was die meisten hier übersehen, ist das aufgrund des Cost Average Effekts euer durchschnittlicher Kaufkurs niedriger ist als der tatsächliche durchschnittliche Aktienkurs in dieser Periode. Schauen wir uns die Zahlen einfach einmal genauer an.
Zeitpunkt | Kurs | Gekaufte Anteile |
---|---|---|
1 | 50 EUR | 2 |
2 | 100 EUR | 1 |
3 | 200 EUR | 0,5 |
Der durchschnittliche Kurs in dieser Periode war 200 EUR + 100 EUR + 50 EUR = 350 EUR geteilt durch die drei Perioden und somit 116,67 EUR aber wie hoch ist unser durchschnittlicher Kaufkurs?
Dieser beträgt 2 * 50 EUR + 1 * 100 EUR + 0,5 * 200 EUR = 300 EUR geteilt durch die 4 Anteile, die wir haben und somit 75 EUR.
Ihr seht also, dass der durchschnittliche Kurs in diesem Beispiel 116,67 EUR beträgt, aber weil ihr durch die konstante Sparrate beim niedrigeren Kurs mehr und beim höheren Kurs weniger eingekauft habt, ist euer durchschnittlicher Kaufkurs niedriger als der tatsächliche durchschnittliche Aktienkurs in der Periode.
Und genau hier liegt die Stärke des Durchschnittskosteneffekts. Ihr schafft euch damit einen sehr günstigen durchschnittlichen Kaufkurs.
Das Beispiel könnte jetzt aber auch vermuten lassen, dass das nur dann der Fall ist, wenn der Aktienkurs steigt, also schauen wir uns das Beispiel einfach noch einmal an nur diesmal beginnt der Kurs bei 200 EUR und fällt bis auf 50 EUR. Ihr würdet also folgende Anteile kaufen.
Zeitpunkt | Kurs | Gekaufte Anteile |
---|---|---|
1 | 200 EUR | 0,5 |
2 | 100 EUR | 1 |
3 | 50 EUR | 2 |
Da sich an den Zahlen nicht viel geändert hat, wäre auch in diesem Fall der durchschnittliche Kurs 200 EUR + 100 EUR + 50 EUR = 350 EUR geteilt durch die drei Perioden und somit 116,67 EUR.
An den von euch gekauften Anteilen hat sich auch nichts geändert, weswegen euer durchschnittlicher Kaufkurs wieder 2 * 50 EUR + 1 * 100 EUR + 0,5 * 200 EUR = 300 EUR geteilt durch die 4 Anteile und somit 75 EUR beträgt.
Der Cost Average Effekt wirkt also in beide Richtungen und hält euren durchschnittlichen Kaufkurs niedriger als den tatsächlich durchschnittlichen Aktienkurs ganz egal ob sich die Kurse nach oben oder unten bewegen.
Natürlich wäre es in den beiden Beispielen am besten die gesamten 300 EUR zu investieren, wenn der Kurs bei 50 EUR lag aber das Problem hierbei ist einfach, dass ihr nie wissen könnt, wann der Kurs gerade den Tiefstand erreicht hat und entsprechend könnt ihr euch beim Warten auf den Dip viel Rendite entgehen lassen, wie ihr im nächsten Abschnitt sehen werdet.
Aber ist der Cost Average Effekt nun wirklich so gut für eure persönliche Performance oder fällt eure Rendite durch andere Methoden (zum Beispiel „Buy the Dip“) evtl. höher aus? Genau dieser Frage bin ich in meiner Analyse im nächsten Abschnitt nachgegangen.
Ist der Cost Average Effekt eine gute Anlagestrategie? Die große Analyse
In meinem Artikel „Was bedeutet Buy the Dip“ habe ich schon erwähnt, dass in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden konnte „Time in the market beats timing the market“. D.h. dass es langfristig sinnvoller ist sein Geld lange im Markt zu lassen, anstatt den idealen Einkaufszeitpunkt abzuwarten.
Das spricht natürlich schon sehr für die Vorteilhaftigkeit des Cost Average Effekts allerdings wollte ich nicht wirklich glauben, dass das stupide monatliche kaufen eines ETFs langfristig wirklich die bessere Anlagestrategie sein soll.
Also habe ich das ganze einmal selbst nachgerechnet und die Cost Average Strategie über einen Zeitraum von circa 30 Jahren mit anderen Strategien verglichen, um zuschauen welche Strategie wirklich die Beste ist.
Ich habe dazu den S&P 500 Index genommen und seit dem 01.01.1994 bis zum 01.10.2021 immer 100 USD in den Index investiert. Gleichzeitig habe ich noch andere Anlagestrategien simuliert und habe dann am Ende verglichen, welche Strategie zum größten Anlagevermögen geführt hat.
Insgesamt habe ich also mit jeder Strategie 33.400 EUR zum Anlegen zur Verfügung gehabt und mit welcher Strategie ich am Ende welches Vermögen bzw. welche Gesamtrendite erreicht habe, könnt ihr in der folgenden Tabelle sehen. Übrigens meine gesamte Analyse könnt ihr euch hier herunterladen, wenn es euch interessiert.
Anlagestrategie | Endgültiger Portfoliowert | Gesamtrendite |
---|---|---|
Dollar Cost Average | 169.036 USD | 406% |
Nur dann kaufen, wenn Index 1% unter ATH | 165.903 USD | 397% |
Nur dann kaufen, wenn Index 3% unter ATH | 165.072 USD | 394% |
Nur im September kaufen | 160.434 USD | 380% |
Nur dann kaufen, wenn KGV maximal 20% über 5-Jahres Durchschnitt | 159.193 USD | 377% |
Nur dann kaufen, wenn Index 5% unter ATH | 149.759 USD | 348% |
Nur dann kaufen, wenn Index 10% unter ATH | 139.782 USD | 319% |
Nur dann kaufen, wenn Index 20% unter ATH | 136.326 USD | 308% |
Nur dann kaufen, wenn KGV unter 5-Jahres Durchschnitt | 129.457 USD | 288% |
Nur im April kaufen | 113.778 USD | 241% |
Die nicht so große Überraschung an meiner Analyse ist, dass der Cost Average Effekt tatsächlich die beste Rendite erzielt hat. Natürlich ist das jetzt nur ein Index und ein ganz bestimmter Zeitraum, aber ich habe in meiner Berechnung den Zeitraum auch immer wieder geändert aber das Ergebnis ist dabei immer gleich geblieben: Der Cost Average Effekt hat immer wieder zur besten Gesamtrendite geführt.
Übrigens noch ein paar Hinweise zu meiner Analyse. Wenn die Strategie war “Nur im September kaufen”, dann habe ich simuliert, dass man jeden Monat 100 EUR zur Seite legt und dann mit einmal 1.200 EUR im September investiert, anstatt wie beim Cost Average Verfahren jeden Monat 100 EUR zu investieren.
Warum eigentlich gerade im September bzw. April? Weil ich in diesem Artikel analysiert habe, dass der September historisch betrachtet der beste Monat zum Kaufen von Aktien ist und der April der beste Monat zum Verkaufen und ich diese Erkenntnis mit meiner Analyse noch einmal belegen wollte. Wie ihr sehn könnt, ist es wirklich sinnvoller im September zu kaufen als im April.
Bei den vielen “Nur dann kaufen, wenn Index x% unter ATH” Strategien habe ich immer nur dann in den ETF investiert, wenn der S&P 500 x% unter dem letzten All-Time-High lag und ansonsten das Geld beiseitegelegt und darauf gewartet, dass der Index wieder x% unter dem letzten Höchststand lag.
Diese Strategie entspricht dem klassischen “Buy the Dip” Ansatz allerdings könnt ihr auch hier sehen, dass Buy the Dip keine gute Anlagestrategie ist und ihr sogar umso weniger Gesamtrendite erzielt, je länger ihr auf einen großen Crash wartet.
Zuletzt habe ich noch zwei Strategien betrachtet, bei denen ich anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (kurz KGV) geschaut habe, ob Aktien gerade “günstig” sind oder nicht. Einmal habe ich dabei immer investiert, wenn das KGV unter dem 5-Jahres-Durchschnitt des S&P 500 Index lag und das andere Mal habe ich nur dann investiert, wenn das KGV maximal 20% über dem 5-Jahres-Durchschnitt lag (20%, weil das circa einer Standardabweichung vom historischen Trend entspricht, für diejenigen, die es interessiert).
Auch hiermit ließ sich allerdings keine bessere Rendite als mit der Cost Average Methode erzielen, sodass man sagen muss, dass der Durchschnittskosteneffekt im Vergleich zu den angeschauten anderen Strategien immer die beste Gesamtrendite erzielt hat und somit tatsächlich eine extrem gute und vor allem einfache Anlagestrategie für Privatanleger ist.
Übrigens lässt sich der Cost Average Effekt auch noch ganz einfach verbessern, wenn man nicht immer am ersten des Monats, sondern am 08. des Monats in einen ETF investiert. Das liegt einfach daran, dass der 08. Tag des Monats auf Sicht der letzten 34 Jahre bei allen großen Indizes die höchsten Sparplan-Renditen erzielt hat, wie ich ausführlich in diesem Artikel hier erkläre.
Der Nachteil des Durchschnittskosteneffekts
Der Cost Average Effekt hat einen Nachteil, der jetzt nicht wirklich negativ zu bewerten ist, aber über den man sich durchaus im klaren sein sollte.
Der wesentliche Nachteil des Cost Average Effets ist, dass er mit zunehmender Größe der jeweiligen Aktienposition immer mehr an Bedeutung verliert. Je größer die zugrundeliegende Aktienposition ist, desto weniger beeinflusst der Kauf neuer Aktienanteile den bisherigen durchschnittlichen Kaufpreis.
Das kann man sich ganz einfach am folgenden Beispiel vorstellen. Stellt euch vor ihr habt bisher lediglich 100 Aktien zu einem Durchschnittspreis von 10 EUR gekauft.
Eure Gesamtposition hat einen Wert von 1.000 EUR und dazu kauft ihr nun 5 weitere Aktien zum Preis von 20 EUR. Eure Gesamtposition hat dann einen Wert von 1.100 EUR und ihr habt einen Durchschnittspreis von rund 10,50 EUR.
Der Neukauf hatte also durchaus Einfluss auf euren Durchschnittspreis und der Cost Average Effekt wirkt hier noch verhältnismäßig stark.
Was passiert aber im selben Beispiel nur anstatt 100 Aktien zu einem Durchschnittspreis von 10 EUR habt ihr schon 10.000 Aktien zu einem Durchschnittspreis von 10 EUR?
In diesem Fall hat eure Gesamtposition einen Wert von 100.000 EUR und kauft ihr nun 5 weitere Aktien zu einem Preis von 20 EUR, dann habt ihr eine neue Gesamtposition von 100.100 EUR mit einem durchschnittlichen Kaufpreis von 10,005 EUR was quasi weiterhin 10 EUR sind.
Das heißt in diesem Fall hat der neue Zukauf auf den durchschnittlichen Kaufpreis eurer Gesamtposition nahezu keinen Einfluss mehr gehabt, weil eure Gesamtposition einfach zu groß ist im Verhältnis zu eurer regelmäßigen Sparrate.
Da sich der Kaufpreis kaum noch ändert, verliert der Cost Average Effekt in so einer Situation auch stark an Bedeutung und es ist dann schon fast so, als würdet ihr gar nicht mehr weiter investieren.
Die Empfehlung ist deshalb (auch unabhängig vom Cost Average Effekt) bei größer werdenden Portfolios auch die monatliche Sparrate nach oben anzupassen. Insbesondere bei Dividendenstrategien funktioniert das extrem gut, da ein größeres Portfolio auch mehr Dividenden und somit mehr frei verfügbares Kapital bedeutet.
Sollte man immer auf den Cost Average Effekt setzen?
Jetzt wurde der Durchschnittskosteneffekt die ganze Zeit so sehr gelobt, aber solltet ihr ihn deswegen immer anwenden? Das kommt ganz drauf an über wie viel freies Kapital ihr verfügt.
Unabhängig von den Vorteilen des Cost Average Effekts gilt weiterhin der Grundsatz „Time in the market beats timing the market“ was ihr auch gleichsetzen könnt mit „Umso länger ihr im Markt drin seid, desto höher wird eure Rendite ausfallen, ganz egal wann ihr gekauft habt“.
Das heißt solltet ihr kein größeres Barvermögen haben und ihr wollt nur jeden Monat etwas Geld in Aktien oder ETFs anlegen, dann solltet ihr das über einen regulären Sparplan machen, um den Cost Average Effekt bestmöglich zu nutzen.
Aber wie sieht es aus, wenn ihr etwas erbt, eine größere Geldsumme geschenkt bekommt oder euch anderweitig der Geldsegen erreicht? Solltet ihr dann auch zum Beispiel 10.000 EUR über mehrere Monate oder Jahre in einzelnen Beträgen in den Markt investieren oder stattdessen alles mit einmal in den Markt stecken?
Naja, es gilt „Time in the market beats timing the market“ und wenn ihr mit euren 10.000 EUR die größte Rendite erzielen wollt, dann solltet ihr es so lange wie möglich für euch arbeiten lassen und entsprechend sofort alles mit einmal investieren.
Viele Menschen haben damit allerdings ein Problem, weil sie Angst haben, den falschen Zeitpunkt zu erwischen. Was wenn direkt nach meinem Investment eine Krise einsetzt und sich der Wert meines Geldes halbiert? Das kann natürlich passieren aber ist zum einen eher unwahrscheinlich und auf langfristiger Sicht auch nicht relevant.
Basierend auf den Kursentwicklungen der letzten 50 Jahre hätte man – ganz egal wann man sein Geld in den Markt investiert hat – niemals einen Verlust gemacht, wenn man mindestens 15 Jahre investiert gewesen wäre.
Ganz genau habe ich das in meinem Artikel „Wie lange sollte man ETFs halten, um Gewinne zu erzielen?“ erklärt aber hier nur als Beispiel aus dem Artikel wie die Statistik im Falle des MSCI World Index aussieht.
Anzahl der Jahre in denen ihr in einen MSCI World ETF investiert habt | Schlechteste Rendite in der Zeitperiode in den letzten 50 Jahren | Beste Rendite in der Zeitperiode in den letzten 50 Jahren | Durchschnittliche Rendite in der Zeitperiode in den letzten 50 Jahren |
---|---|---|---|
2 | -22,64% | 38,06% | 7,50% |
5 | -4,43% | 24,83% | 7,31% |
7 | -1,23% | 20,35% | 7,25% |
10 | -2,20% | 15,78% | 7,29% |
15 | 1,24% | 14,47% | 7,35% |
20 | 2,50% | 12,65% | 7,14% |
25 | 4,51% | 12,30% | 7,32% |
30 | 4,56% | 9,43% | 7,10% |
40 | 5,99% | 8,04% | 7,20% |
50 | 7,01% | 7,01% | 7,01% |
Also ja, es gibt die schlechten Zeitpunkte, zu denen man investieren könnte aber bei einem langfristigen Anlagehorizont verlieren selbst diese an Bedeutung. Ganz egal, wann ihr in den letzten 50 Jahren in den MSCI World investiert hättet, bei einer Haltedauer von 25 Jahren hättet ihr mindestens eine Rendite von 4,51% pro Jahr gemacht und im besten Fall aber eine Rendite von 12,3%.
Die durchschnittliche und auch viel wahrscheinlichere Rendite wären aber 7,32% gewesen und mit so einer Durchschnittsrendite macht es schon einen Unterschied, ob ihr 10.000 EUR sofort investiert oder erst über mehrere Monate und Jahre streckt.