Was bedeutet „buy the dip“?


Titelbild Buy the Dip

Ganz egal ob in den Reddit Boards oder einfach nur im Gespräch mit Freunden. Immer wieder hört man von „Buy the Dip“ als wäre es die goldene Regel des Aktienhandelns. Den meisten ist zwar direkt klar, was damit gemeint ist aber die wenigsten wissen, ob es sich dabei wirklich um eine gute Anlagestrategie handelt. Also Grund genug, um sich das Thema ein wenig genauer anzuschauen.

Als „Buy the Dip“ bezeichnet man die Strategie, Aktien nach einem stärkeren Kursrückgang „günstig“ zu kaufen. Der Käufer geht dabei davon aus, dass die Aktie nach dem Kursrückgang bald wieder steigen wird, um somit einen Profit zu machen. Da man allerdings nie genau vorhersagen kann, wann der absolute Tiefpunkt der Aktie erreicht ist, birgt diese Strategie auch ein gewisses Verlustrisiko.

Ein „Dip“ an der Börse ist ein stärkerer Kursrückgang mit darauffolgendem Kursanstieg. Da man aber nie weiß, ob der Kurs einer Aktie während eines Kursrückgangs noch mehr an Wert verliert oder wieder ansteigt, kann man einen Dip immer erst im Nachhinein erkennen.

Das Gegenteil von „Buy the Dip“ ist „Sell the Rally“ und meint, dass man nach einem starken Kursanstieg Aktien leer verkauft, um sie später, nachdem der Aktienkurs hoffentlich wieder gefallen ist, günstig zurückkaufen kann. Wie auch bei „Buy the Dip“ kann man aber nie genau sagen, wann der absolute Hochpunkt der Aktie erreicht ist, sodass auch diese Strategie ein gewisses Verlustpotential aufweist.

Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, wie man für „Sell the Rally“ Aktien leerverkaufen kann, dann schaut euch doch diesen Artikel von mir an, in dem ich erkläre, wie man das machen kann.

Ist „Buy the Dip eine gute Anlagestrategie?

Das ist die entscheidende Frage und natürlich kann man sich diese Strategie schön rechnen, indem man einfach eine beliebige Aktie aussucht, deren Tiefpunkt nimmt und dann schaut, wie sehr die Aktie bis zum nächsten Hochpunkt wieder gestiegen ist.

Nehmen wir doch einfach mal das Beispiel NVIDIA. Dort kam es von Oktober 2018 bis Dezember 2018 zu einem sehr starken Kursrückgang von fast 60% in nicht einmal 90 Tagen. Die meisten können sich nicht mehr daran erinnern, da NVIDIA von da an nur noch für ihr gigantisches Kurswachstum bekannt ist aber zu diesem Zeitpunkt war NVIDIA unter Aktienhändlern sehr umstritten.

Hätte man am absoluten Tiefpunkt allerdings gekauft und zum Hoch im Juli 2021 verkauft, dann hätte man fast unglaubliche 600% in circa zweieinhalb Jahren gemacht. Zu schön, um wahr zu sein? Wenn man ehrlich ist, ja.

Wochenchart von NVIDIA vom 18.08.2021, erstellt mit TradingView.

Das Problem an dieser Strategie ist nämlich, dass niemand weiß, wann ein Dip lediglich ein leichter Kursrückgang bzw. eine kleine Korrektur ist oder ein echter Abwärtstrend. 

In der Realität wäre es nämlich eher so gewesen, dass einem Mitte Oktober 2018 der Kursrückgang aufgefallen wäre, man dann einen vermeintlichen Dip erkannt hätte und deswegen sein Geld investiert hätte und von da an bis Ende 2018 einen weiteren Verlust von circa 50% hätte hinnehmen müssen.

Im Nachhinein wäre das natürlich immer noch die klügere Entscheidung gewesen aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber wer erfolgreich an der Börse sein will, der sollte nicht auf Prinzip Hoffnung setzen, sondern stattdessen mit einer festen Strategie und einem guten Risiko- und Moneymanagement unterwegs sein.

D.h. spätestens nach 25% Verlust im Dezember hätte man die Reißleine ziehen müssen und sich von dem Trade verabschieden müssen.

Wer eine gute Trendfolgestrategie betreibt, der wäre dann später in 2019 sicherlich wieder eingestiegen und hätte damit auch viel Gewinn machen können aber Fakt ist, dass in dieser Situation ein „Buy the Dip“ keine gute Strategie gewesen wäre.

Natürlich könnte ich jetzt auch ein Beispiel zeigen, bei dem ein „Buy the Dip“ sinnvoll gewesen wäre aber dann kommen wir wieder an einem Punkt an, bei dem ein zufälliges Beispiel über unsere Meinung zu Anlagestrategien entscheidet und nicht harte Fakten. Und wer wirklich Geld an der Börse verdienen will, der sollte an Fakten glauben und nicht an Meinungen.

Timing the Market vs. Time in the Market

Schauen wir uns also doch einmal die Fakten an. Was Finanzen angeht habe ich einen wissenschaftlichen Hintergrund und deshalb schaue ich bei solchen Fragen gern einmal, was die Wissenschaft dazu sagt und die ist beim Thema „Buy the Dip“ oder „Timing the Market“, also den richtigen Zeitpunkt zum Kaufen oder Verkaufen zu finden, ziemlich einig.

So wurde in einem Paper (ich verlinke immer auf die Paper, für den Fall, dass euch die Details interessieren) geprüft, was besser wäre. Entweder man wartet auf einen 10% bzw. 30% Dip, um dann die Aktien „günstig“ zu kaufen oder man investiert stattdessen regelmäßig einen gleichen Betrag ganz egal ob die Kurse der Aktie gestiegen oder gefallen sind.

Der Gedanke dahinter ist, dass man bei einer „Buy the Dip“ Strategie zwar Aktien evtl. günstig einkauft aber auch lange Zeit nicht im Markt investiert ist, weil man eben auf den Dip wartet. Legt man wiederum gleichmäßig immer wieder Geld an, dann kauft man vielleicht nicht immer zum günstigsten Zeitpunkt, aber dafür ist man immer voll investiert.

Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass man durch das Warten auf einen 10% Dip im Durchschnitt 4 bis 5% weniger Rendite macht im Vergleich zum regelmäßigen Geld anlegen und durch das Warten auf einen 30% Dip zwischen 4 bis 14% weniger Rendite macht im Vergleich zum regelmäßigen Geld anlegen. 

D.h. je nachdem welchen Zeithorizont man sich anschaut, hat man im schlimmsten Fall beim Warten auf einen 30% Dip 14% weniger Rendite gemacht, als wenn man einfach monatlich Geld in einen Sparplan gesteckt hätte.

Übrigens, ich habe in diesem Artikel genau nachgerechnet, welcher Tag im Monat der beste Tag für deine Sparplanausführung ist. Schau unbedingt vorbei, wenn du es herausfinden möchtest.

Die Ergebnisse dieses wissenschaftlichen Papers sind dabei nix besonderes. In zahlreichen anderen wissenschaftlichen Untersuchungen konnte man zeigen, dass es für die Gesamtrendite sinnvoller ist, mit seinem Geld nicht auf einen Dip zu warten, sondern stattdessen alles so schnell wie möglich zu investieren. Time in the Market schlägt somit Timing the Market. 

Ich habe auch zwei weitere Paper gefunden, die sogar belegen konnten, dass es immer besser ist einen großen Geldbetrag immer sofort zu investieren anstatt es über einen länger Zeitpunkt zu strecken. D.h. wer 10.000 EUR übrighaben sollte, sollte nicht jeden Monat davon 500 € investieren, sondern stattdessen das ganze Geld direkt investieren.

Fairerweise muss man aber sagen, dass diese wissenschaftlichen Paper nur überprüft haben, wie man die höchste Maximalrendite erzielt aber nicht ob es sich dabei auch um das beste Rendite-Risiko-Verhältnis handelt. Wer das jetzt nicht direkt verstanden hat, für den habe ich folgendes Beispiel. 

Wenn ich 10.000 EUR habe und ich sie komplett in den Markt investiere, ohne auf einen Dip zu warten, dann habe ich nach 3 Jahren vielleicht Aktien im Wert von 13.000 EUR. Gleichzeitig kann es aber passieren, dass in den drei Jahren ein Dip einsetzt und aus meinen 10.000 EUR zwischenzeitlich 7.000 EUR werden. Ich habe also eine relativ große Schwankung in meinem Account.

Dieses Paper konnte nun zeigen, dass wenn ich mit den 10.000 EUR auf einen Dip warte, dann habe ich am Ende der 3 Jahre vielleicht nur 12.000 EUR (also weniger, als wenn ich alles direkt investiert hätte) aber dafür hätte ich zwischenzeitlich vielleicht nur einen Rückgang auf 9.000 EUR mitmachen müssen.

Die „Buy the Dip“ Strategie liefert also zwar absolut geringere Renditen als beim direkten Investieren (oder monatlichem investieren) aber dafür weist es auch ein geringeres Risiko auf. Nun muss jeder für sich selbst entscheiden, was einem wichtiger ist. Mehr absolute Rendite oder eine geringere Schwankung des Portfolios.

Jetzt werden sicherlich einige von euch meinen, dass ein 10%-iger oder 30%-iger Kursrückgang kein Dip mehr sind, sondern schon eine ernstzunehmende Korrektur und deswegen auch anders behandelt werden muss als zum Beispiel ein „echter“ Dip mit einem einmalig schlechten Handelstag von 2%. 

Das Problem an dieser Argumentation ist aber, dass man nie wissen kann, wann es nur ein einmalig schlechter Handelstag ist und wann der Beginn einer größeren Korrektur. Man kann sein Risiko zwar ein wenig mithilfe von technischen Indikatoren wie dem RSI verringern aber auch das gibt keine 100%ige Sicherheit.

Und auch unabhängig davon hat sich die Wissenschaft schon einmal mit diesem Thema beschäftigt und explizit nur kleine Tageseinbrüche auf deren Renditeauswirkungen untersucht und auch hier konnte belegt werden, dass der Kaufzeitpunkt bzw. Kaufpreis (also ob Dip oder nicht) keine entscheidende Rolle spielt, sondern nur wie lang man schon investiert ist.

Fazit

Besonders wer langfristig investiert und einen Zeithorizont von vielleicht 30 Jahren hat (zum Beispiel, weil man sein Geld für die Rente weglegt), der sollte sich keine Gedanken über einen zukünftigen Dip machen und stattdessen so schnell wie möglich so viel wie möglich investieren. Wer allerdings einen kürzeren Zeithorizont von vielleicht 5 Jahren hat (zum Beispiel, weil man für das nächste Auto spart), für den ist eine „Buy the Dip“ Strategie wirklich sinnvoll, auch wenn sie absolut weniger Rendite liefert als ein sofortiges Investieren des Geldes.

Robby

Hi, ich bin Robby und Gründer dieses Blogs. Ich beschäftige mich schon seit 2006 mit dem Aktienmarkt. Zuerst als Privatanleger, dann von der theoretischen Seite im Studium und seit 2015 professionell bei einem der größten deutschen Asset Manager. Ich hoffe ich kann mithilfe dieses Blogs ein wenig von meiner Erfahrung mit euch teilen.

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