Wie kann ich Leerverkäufe tätigen?


Titelbild Leerverkäufe

Spätestens seit dem rasanten Kursanstieg der GME Aktie Anfang 2021 hat jeder schon einmal etwas vom „Leerverkauf“ oder dem sogenannten „short selling“ von Aktien gehört und die meisten Privatinvestoren haben immer die Vorstellung, dass diese Art des Tradens nur professionellen Investoren vorbehalten ist. Allerdings kann jeder einen Leerverkauf tätigen, solange er einen Broker hat, der einem das anbietet und genau das ist das Problem für die meisten, denn nur die wenigsten Broker ermöglichen Leerverkäufe.

Um einen Leerverkauf zu tätigen, benötigt man zuerst einen professionellen Broker, der Leerverkäufe ermöglicht. Ist das vorhanden kann man den Leerverkauf ganz einfach umsetzen, in dem man einfach bei seinem Broker eine Verkaufsorder für ein Produkt eingibt, dass man momentan noch nicht besitzt.

Der Broker erkennt dann automatisch, dass die Aktie leerverkauft werden soll und „leiht“ sie sich von einem anderen Kunden bei ihm, der seine Aktien zum Leerverkauf freigegeben hat. Man spricht in diesem Fall von einem gedeckten Leerverkauf. Sollte es aber keine zum Leerverkauf freigegebenen Aktien geben, dann besteht die Möglichkeit eines ungedeckten Leerverkaufs, aber hierfür gibt es in den meisten Ländern starke Beschränkungen bzw. sogar Verbote.

Ein Beispiel für einen gedeckten Leerverkauf ist, dass man sich über seinen Broker 100 Aktien zum Preis von 200 EUR leiht und diese direkt am Markt für insgesamt 20.000 EUR verkauft. Sollte der Preis der Aktien nun auf 150 EUR fallen, dann kauft man die Aktien zu einem Gesamtpreis von 15.000 EUR wieder zurück, gibt die geliehenen Aktien wieder an seinen Broker und hat einen Gewinn von 5.000 gemacht.

Gedeckter vs. Ungedeckter Leerverkauf

Wie immer war der obere Teil nur die Zusammenfassung der wichtigsten Punkte für euch und für jeden, der gern mehr Details erfahren möchte, der kann gern weiterlesen.

Man unterscheidet also Leerverkäufe in gedeckte und ungedeckte Leerverkäufe. Der Unterschied dabei ist, dass man bei gedeckten Leerverkäufen Aktien verkauft, die man sich vorher geliehen hat (d.h. die auch existieren) und bei ungedeckten Leerverkäufen Aktien verkauft, die man weder besitzt noch geliehen hat (d.h. die gar nicht existieren).

Wie kann man Aktien verkaufen, die gar nicht existieren, fragt ihr euch nun? Lasst uns das ganze Schritt für Schritt anschauen aber lasst uns zuerst mit dem gedeckten Leerverkauf beginnen, da dieser einfacher zu verstehen ist.

Wenn ihr einen professionellen Broker besitzt, der Leerverkäufe ermöglicht (ich nutze hierfür z.B. Banx Broker) und ihr über eine größere Menge an Aktien verfügt, dann könnt ihr diese Aktien zur Leihe bei eurem Broker freigeben. 

D.h. andere Investoren, die gern Aktien leihen würden (z.B. für einen Leerverkauf), können dies nun tun und ihr erhaltet dafür eine kleine Entschädigung in Form eines Zinssatzes. Nebenbei bemerkt ist das übrigens für Buy-and-Hold Investoren eine tolle Möglichkeit, um ein zusätzliches Einkommen aus seinen Aktien zu erhalten.

Nehmen wir nun an, dass ihr aber keine Aktien verleihen wollt, sondern stattdessen selbst für einen Leerverkauf leihen wollt, dann könnt ihr das ganz einfach machen, in dem ihr einfach eine Verkaufsorder bei eurem Broker für Aktien eingebt, die ihr selbst gar nicht besitzt.

Ich besitze keine 100 Aktien der Allianz aber über die Standard-Verkaufsmaske von Banx Broker könnte ich die Aktien ganz einfach leerverkaufen. Einfach auf „Sell“ bei der Aktie der Wahl drücken und der Broker macht alles im Hintergrund.

Der Broker prüft dann im Hintergrund, ob Aktien zur Leihe zur Verfügung stehen, und sollte das der Fall sein, wird eure Verkaufsorder genehmigt und ihr habt soeben Aktien leerverkauft. Bis zum Zeitpunkt, an dem ihr die Aktien wieder zurückkauft (d.h. eine ganz übliche Buy Order) fallen für euch täglich Zinsen auf die Leihe an.

Sollten die Aktie in dieser Zeit auch Dividenden ausschütten, seid ihr verpflichtet diese an den Eigentümer der Aktien auszuzahlen obwohl ihr sie selbst ja gar nicht bekommen habt. Das spielt für euren Gewinn aber nicht wirklich eine Rolle, da eine Dividendenauszahlung ja auch den Kurs der Aktien um denselben Wert reduziert und ihr somit einen Gewinn aus dem geringeren Aktienkurs in selber Höhe macht.

Schauen wir uns das ganze nun an einem Beispiel an. Ihr leiht euch 100 Aktien und verkauft sie direkt leer zu einem Preis von 200 EUR. D.h. ihr bekommt 200 EUR * 100 = 20.000 EUR ausgezahlt. Der Trade läuft nun gut für euch und der Preis der Aktien sinkt nach 3 Monaten auf 150 EUR. Wenn ihr die Aktien nun zurückkauft, müsst ihr 150 EUR * 100 = 15.000 EUR bezahlen. Ihr habt also 20.000 erhalten, müsst 15.000 bezahlen, sodass ihr einen Gewinn von 5.000 macht.

Davon zieht ihr jetzt Zinsen von zum Beispiel 500 EUR ab und euch bleibt ein Netto-Gewinn (ohne Abzug von Steuern) von 4.500 EUR.

Das Ganze funktioniert aber auch in die andere Richtung. Wenn die Aktien zum Beispiel nicht auf 150 EUR fallen, sondern auf 250 EUR steigen, dann würdet ihr in dem Fall einen Verlust von 5.500 EUR (5.000 EUR aus dem Leerverkaufgeschäft und 500 EUR für Zinsen) machen.

Wie viel Aktien ihr Leerverkäufen könnt, hängt natürlich von eurer finanziellen Rückendeckung ab. D.h. euer Broker berechnet für jedes Leerverkaufgeschäft eine Margin aus, die angibt, wie viel Geld ihr mindestens in Form von Cash oder anderen Assets hinterlegt haben müsst, um das Geschäft durchführen zu können.

Um den richtigen Zeitpunkt für einen Leerverkauf zu finden, können technische Chartindikatoren häufig eine Hilfe sein. Ich habe einen ausführlichen Artikel über den Relative Stärke Index geschrieben und wie man mit dessen Hilfe Kurseinbrüche erkennen kann. Schaut euch den Artikel doch einmal an, wenn ihr mehr Erfahren wollt.

Sollte der Leerverkauf wie im oben genannten Beispiel also gegen euch laufen, dann erhöht sich eure Margin-Anforderung und solltet ihr nicht mehr über genug finanzielle Sicherheiten verfügen, dann gibt es zunächst einen sogenannten Margin-Call des Brokers, in dem er euch auffordert, mehr finanzielle Mittel zur Sicherheit zur Verfügung zu stellen.

Sollten ihr beim Leerverkaufen von Aktien nicht mehr über ausreichend Margin verfügen dann seid ihr zu einem „Buy to cover“ gezwungen. D.h. euer Broker führt automatisch ein Kaufgeschäft in eurem Namen durch, um die leerverkauften Aktien einzukaufen. Damit ist in der Regel ein Verlust für euch verbunden, da ihr nicht bestimmen könnt, zu welchem Preis die Aktien gekauft werden. 

Ein ungedeckter Leerverkauf funktioniert nun genauso allerdings verkauft ihr hierbei Aktien, ohne sie vorher von einem anderen Investor geliehen zu haben. De facto verkauft ihr somit Aktien, die gar nicht existieren. Das klingt zunächst unmöglich aber ist dennoch machbar aufgrund einer kleinen Zeitdifferenz.

Wenn ihr nämlich Aktien kauft oder verkauft, dann wird das Geschäft zwar sofort durchgeführt, das Settlement der Aktien – also der physische Austausch vom Verkäufer zum Käufer – findet in der Regel aber erst wenige Tage später statt. Für einen ungedeckten Leerverkauf ist es somit nicht notwendig, dass ihr zum Verkaufszeitpunkt die Aktien besitzt, sondern erst wenn es zum tatsächlichen Settlement kommt.

Bei einem ungedeckten Leerverkauf verkauft ihr also Aktien, ohne sie vorher von einem anderen Investor geliehen zu haben und kauft sie euch dann kurz vor dem Settlement zurück. Entsprechend sind ungedeckte Leerverkäufe immer nur über sehr geringe Zeitspannen (üblicherweise maximal zwei Tage) möglich.

Es sollte aber auch erwähnt werden, dass ungedeckte Leerverkäufe in Deutschland nicht gestattet sind, also denkt am besten nicht zu viel über das Thema nach.

Zum Abschluss noch ein kleines Wort zu den Zinsen, die für die Leihe von Aktien anfallen. Diese sind nämlich nicht immer fix und variieren je nach Nachfrage. D.h. wenn im Fall von GME Anfang 2021 der Kurs der Aktie absolut durch die Decke geht und jeder der Meinung ist, dass jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für einen Leerverkauf wäre, dann kann die Nachfrage zur Leihe diese Aktien mitunter so hoch sein, dass der Leihzins 100% pro Jahr beträgt.

Mit dem Leerverkauf von GME Anfang 2021 hätte man in weniger als einem Monat eine Brutto-Rendite von circa 90% erzielen können, allerdings hätte man dafür eine extrem hohe Margin hinterlegen müssen, sehr hohe Leihzinsen zahlen müssen und man wäre auch ein extrem hohes Risiko eingegangen, dass der Kurs weiter steigt. Grafik erstellt mit TradingView.

Mit so hohen Zinsen ist es natürlich immer noch möglich bei einem Kursrückgang Gewinn zu machen allerdings sollte dieser Kursrückgang ziemlich schnell passieren, weil euch ansonsten die Zinsen auffressen werden. Im Falle von GME ist der Kurs dann sehr schnell gefallen aber hätte sich der Rückgang über ein Jahr gezogen, dann hätte man nur sehr wenig Gewinn mit einem Leerverkauf machen können.

Übrigens kann man auch mithilfe eines Long Puts auf fallende Kurse bei Aktien aber das erfordert den Handel mit Optionen. Wenn ihr gern mehr über den Unterschied zwischen Leerverkaufen bzw. Short Selling und einer Long Put Option erfahren wollt, dann könnt ihr das hier nachlesen.

Wo kann man Leerverkäufe tätigen?

Ich habe jetzt schon mehrfach erwähnt, dass das Leerverkaufen von Aktien auch einen professionellen Broker benötigt und leider gibt es dafür in Deutschland keine große Auswahl. Ihr braucht also erst gar nicht anzufangen bei eurer Sparkasse oder der Comdirect nachzufragen, ob es dort möglich ist, denn diese werden euch im besten Fall nur ein paar Optionsscheine oder Zertifikate für fallende Kurse aufdrängen. Warum das aber keine gute Idee ist, habe ich in diesem Artikel beschrieben.

Mir sind momentan nur drei Broker in Deutschland bekannt, die Leerverkäufe ermöglichen. Das wären Banx Broker, Cap Trader und Lynx Broker. Ich selbst nutze Banx Broker allerdings sollte ich fairerweise auch erwähnen, dass ich in aller Regel Aktien nicht leerverkaufe. Banx Broker ist aber auch so ein spitzen Broker, weil er zum einen den Handel mit Optionen ermöglicht und zum anderen sehr günstige Konditionen für Aktien hat. 

Für europäische Aktien zahlt man nur 3,90 EUR pro Order und US-Aktien kann man teilweise schon für 1 Cent pro Order traden. Hinzu kommt, dass Banx Broker im Hintergrund die Trading Plattform von Interactive Brokers nutzt und das für mich der beste Broker für Privatinvestoren auf der Welt ist. Da Interactive Brokers aber erst für größeren Portfolios geeignet ist (größer 100.000 EUR), gibt es für mich keine andere Wahl als Banx Broker.

Disclaimer: Dieser Artikel soll euch nur theoretisch erklären, wie ein Leerverkauf stattfindet und ist keine Aufforderung Leerverkäufe durchzuführen. Solche Geschäfte bringen ein sehr hohes Risiko mit sich und sind nur für Investoren geeignet, die ihr Handwerk verstehen. Bevor ihr also selbst Leerverkäufe durchführt, beschäftigt euch bitte tiefgehend mit dem Thema und handelt nicht einfach willkürlich los.

Robby

Hi, ich bin Robby und Gründer dieses Blogs. Ich beschäftige mich schon seit 2006 mit dem Aktienmarkt. Zuerst als Privatanleger, dann von der theoretischen Seite im Studium und seit 2015 professionell bei einem der größten deutschen Asset Manager. Ich hoffe ich kann mithilfe dieses Blogs ein wenig von meiner Erfahrung mit euch teilen.

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