Der gleitende Durchschnitt – Alles was du darüber wissen musst


Gleitende Durchschnitte sind für viele Anfänger im Börsenhandel der Einstieg in die technische Analyse. Das ist so weit auch verständlich, weil sie so einfach zu verstehen sind und in den meisten Chartansichten direkt mitgeliefert werden. Auch Profis nutzen gleitende Durchschnitte, allerdings achten diese auf viel mehr als nur die Richtung oder das Kreuzen zweier Durchschnitte. Ich will euch deswegen heute erklären, wie ihr noch mehr aus diesem Indikator herausholen könnt.

Der gleitende Durchschnitt bzw. Moving Average ist ein Chartindikator, um Trendbewegungen bei Aktien zu identifizieren. Er wird berechnet, indem man den Durchschnitt der vergangenen Aktienkurse für eine bestimmte Zeitperiode jeden Tag berechnet. Die einfachste Form ist dabei der einfache gleitende Durchschnitt bzw. Simple Moving Average (SMA).

Der gleitende Durchschnitt sagt somit aus, wie sich der Kurs einer Aktie im Durchschnitt bewegt. Anhand der Richtung dieser Bewegung kann man dann Schlussfolgerungen über die Trendrichtung des Aktienkurses schließen.

Man kann den gleitenden Durchschnitt aber auch als eine Art Unterdrückung des Rauschens von Aktienbewegungen ansehen. Also wie würde sich der Kurs einer Aktie tendenziell bewegen, wenn man die täglichen Schwankungen versucht auszublenden.

Das ist übrigens meine Detailanalyse zu dem gleitenden Durchschnitt. Wenn ihr gern mehr über andere Trendindikatoren erfahren wollt und wie gut diese im Vergleich zueinander sind, dann solltet ihr euch meinen Artikel über die 5 wichtigsten Trendindikatoren durchlesen.

Die verschiedenen Arten des Gleitenden Durchschnitts und ihre Berechnung

Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist der gleitende Durchschnitt bzw. Moving Average (MA) sowohl bei Anfängern als auch bei Profis beliebt, sodass es sich lohnt sich genauer mit dem Thema zu beschäftigen. 

Hinzu kommt, dass viele komplexere Indikatoren wie zum Beispiel der MACD oder die Bollinger Bänder ebenfalls in ihrer Berechnung einen gleitenden Durchschnitt nutzen, sodass es sich auch dafür lohnt die verschiedenen Arten und Berechnungen eines gleitenden Durchschnitts zu kennen. 

Ich habe übrigens auch ausführliche Artikel zu dem MACD Indikator und den Bollinger Bändern geschrieben. Wenn euch dieser Artikel gefällt und ihr auch mehr zu den anderen Trendindikatoren erfahren wollt, klickt einfach auf die Links.

Schauen wir uns jetzt aber das Thema einmal genauer an.

Es gibt zahlreiche verschiedene Formen des gleitenden Durchschnitts allerdings haben sich in der Praxis drei Formen besonders etabliert. Der einfache gleitende Durchschnitt, der exponentiell gleitende Durchschnitt und der gewichtete gleitende Durchschnitt.

Einfacher gleitender Durchschnitt

Der einfache gleitende Durchschnitt bzw. Simple Moving Average (SMA) ist ein ungewichteter gleitender Durchschnitt. D.h. bei der Berechnung des Durchschnittspreises für eine bestimmte Periode werden alle Preise der Periode gleich gewichtet.

Die Berechnung des Simple Moving Averages ist entsprechend simpel. Der gleitende Durchschnitt für eine Periode von 20 Tagen ist die Summe der Schlusskurse der letzten 20 Tage geteilt durch die Anzahl der Perioden (in diesem Fall 20). Wenn ein neuer Tag endet, wird der älteste Datenpunkt aus der Berechnung entfern und der neuste Datenpunkt hinzugefügt.

Die Formel zur Berechnung des einfachen gleitenden Durchschnitts.

Gewichteter gleitender Durchschnitt 

Der gewichtete gleitende Durchschnitt bzw. Weighted Moving Average (WMA) wird ähnlich wie der einfache gleitende Durchschnitt berechnet, allerdings haben neuere Aktienkurse eine höhere Gewichtung als ältere Aktienkurse. 

Dafür erhält jeder Aktienkurs eine Gewichtung wobei neuere Kurse eine größere Gewichtung erhalten als ältere Kurse. Ebenfalls wie beim SMA wird, wenn ein neuer Tag endet, der älteste Datenpunkt aus der Berechnung entfern und der neuste Datenpunkt hinzugefügt. 

Die Gewichtungen werden entsprechend auch mit jedem neuen Tag angepasst, sodass mit dem Älterwerden eines Aktienkurses auch dessen Gewichtung sinkt.

Die Formel zur Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts.

Exponentiell gleitender Durchschnitt

Der exponentiell gleitende Durchschnitt bzw. Exponential Moving Average (EMA) wird ähnlich wie der gewichtete gleitende Durchschnitt berechnet, allerdings nimmt die Gewichtung ältere Kurse exponentiell ab. D.h. im Vergleich zum WMA werden beim EMA neuere Kurse extrem stark übergewichtet und ältere Kurse extrem untergewichtet.

Die Berechnung des EMA unterscheidet sich somit nicht von der des WMA außer, dass die Gewichtungen sich exponentiell zueinander verhalten.

Die Formel zur Berechnung des exponentiell gleitenden Durchschnitts.

Die richtige Periodenlänge

Bei der richtigen Periodenlänge für den gleitenden Durchschnitt scheiden sich die Geister. Die einen bevorzugen eher kürzer laufende Perioden und die anderen eher länger laufende Perioden. Schlussendlich kommt es aber auf euren persönlichen Investmentstil an.

In der Praxis haben sich allerdings verschiedene Zeitperioden herausgeprägt. Am häufigsten findet der 10-Tage, 20-Tage, 50-Tage und 200-Tage gleitende Durchschnitt Verwendung.

Es wird in der Praxis aber selten vom „200-Tage gleitendem Durchschnitt“ gesprochen, sondern stattdessen einfach nur von der 200-Tage-Linie.

Die 200-Tage-Linie ist der einfache gleitende Durchschnitt einer Aktie mit einer Periodenlänge von 200 Tagen. Der Indikator wird häufig verwendet, um insbesondere die langfristigen Trends von Aktien oder Indizes zu identifizieren.

Die 200-Tage Linie ist sehr wichtig, da sie von vielen Marktteilnehmer als wichtige psychologische Marke angesehen wird. Steigt der Kurs eines Index über die 200-Tage-Linie geht man von einem Aufwärtstrend aus und fällt der Kurs darunter von einem Abwärtstrend.

Es gibt mittlerweile auch schon spezielle Charts, die genau anzeigen, wie viele Unternehmen in einem Index über oder unter der 200-Tage-Linie liegen, um den Trend des Gesamtmarktes besser zu analysieren. 

Bei TradingView findet ihr diesen Indikator mit dem Kürzel „S5FI“ für die 50-Tage-Linie und „S5TH“ für die 200-Tage-Linie. Für mich absolut hilfreich, um zu erkennen, wie viele Unternehmen eigentlich einen Markttrend vorantreiben.

Der S5TH Index bei TradingView gibt an wie viele Unternehmen im S&P 500 Index momentan über ihrer 200-Tage-Linie liegen.

Man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass umso länger die Periodenlänge ist, desto verzögerter reagiert der Indikator. Das führt auch dazu, dass kürzer laufende gleitende Durchschnitte näher am aktuellen Kurs verlaufen als langlaufend gleitende Durchschnitte.

Ein ähnlicher Zusammenhang besteht auch bei dem EMA und WMA im Vergleich zum SMA. Die höhere Gewichtung aktueller Kurse beim EMA und WMA führt ebenfalls dazu, dass der Indikator viel näher am aktuellen Kurs verläuft als der einfache gleitende Durchschnitt.

Ganz egal welchen Moving Average man aber verwendet, die sich daraus ergebenen Handelssignale sind für alle drei Varianten dieselben. 

Handelssignale

Nachdem nun geklärt wurde, wie sich der gleitende Durchschnitt berechnen lässt, sollte auch schnell klar werden, wie sich der Indikator im Chart verhält. Er läuft leicht verzögert mit dem Aktienkurs mit aber unterliegt weniger Schwankungen, da diese durch die Durchschnittsberechnung herausgefiltert werden.

Ein Tageschart der Google Aktie. In Türkis hervorgehoben, ist der 50-Tage gleitende Durchschnitt.

Im Wesentlichen gibt der Indikator vier wichtige Informationen bzw. Handelssignale: Er zeigt den Trend des Aktienkurses an, er zeigt mögliche Unterstützungen und Widerstände an, es kann zu Überschneidungen zweier gleitender Durchschnitte kommen und es kann zu Überschneidungen mit dem Kursverlauf kommen.

Schauen wir uns alle Varianten einmal im Detail an.

Trendanzeige

Das Erkennen des Anfangs oder des Endes eines Trends ist der vielleicht häufigste Verwendungszweck des gleitenden Durchschnitts. 

Das Erkennen eines Trends mithilfe von gleitenden Durchschnitten ist relativ einfach:

  • Befindet sich der gleitende Durchschnitt im Aufschwung, ist das eine Bestätigung für einen Aufwärtstrend
  • Befindet sich der gleitende Durchschnitt im Abschwung, ist das eine Bestätigung für einen Abwärtstrend

Es ist dabei aber wichtig noch einmal darauf hinzuweisen, dass gleitende Durchschnitte nur mit vergangenen Kursinformationen arbeiten und nicht sofort auf Trendänderungen reagieren. Entsprechend zeigt der Indikator den Trend immer erst ein wenig verzögert an. Die Verzögerung wird dabei umso größer je länger die verwendete Periodenlänge ist. 

Allerdings haben längere Periodenlängen auch den Vorteil, dass sie nicht zu schnell auf mögliche falsche Trendausbrüche reagieren.

Der Tageschart von 3M. Man kann anhand des gleitenden Durchschnitts (50-Tage, türkis) deutlich den Auf- und Abwärtstrend der Aktie erkennen.

Unterstützungen und Widerstände

Gleitende Durchschnitte bilden in vielen Fällen Unterstützungs- oder Widerstandszonen von Kursbewegungen. D.h. der Aktienkurs prallt häufig ab, wenn er nahe an die Linie des gleitenden Durchschnitts gelangt, was dann ein Zeichen für eine kurzfristige Trendumkehr bedeutet.

Der Tageschart von Caterpillar mit dem 50-Tage gleitenden Durchschnitt (türkis). Man erkennt dabei deutlich, wie der Aktienkurs bei Abwärtsbewegungen an der 50-Tage-Linie immer wieder abprallt.

Man muss allerdings sagen, dass es für diese Unterstützungs- oder Widerstandsfunktion des Indikators keine wirkliche Begründung gibt. Die Tatsache, dass es aber zu solchen Abprallern in der Nähe des gleitenden Durchschnitts kommt, liegt einzig und allein daran, dass einfach viele Marktteilnehmer den SMA als Unterstützungs- oder Widerstandszonen ansehen und deswegen vermehrt kaufen oder verkaufen, wenn die SMA Linie berührt wird.

Es handelt sich hierbei also um eine selbsterfüllende Prophezeiung. Weil so viele Marktteilnehmer den gleitenden Durchschnitt als Unterstützungs- oder Widerstandszonen ansehen, passen sie ihre Orders daran an, weswegen der gleitende Durchschnitt zu einer Unterstützungs- oder Widerstandszonen wird.

In der Praxis zeigt sich diese Eigenschaft aber vor allem bei länger laufenden gleitenden Durchschnitten. Insbesondere der 50-Tage SMA und 200-Tage SMA werden als wichtige psychologische Marken angesehen, weswegen man hier immer einen genauen Blick drauf werfen sollte.

Überschneidungen zweier gleitender Durchschnitte

Für dieses Handelssignale benötigt man zwei gleitende Durchschnitte mit unterschiedlichen Periodenlängen. Die Idee ist dabei, dass ein Kreuzen der beiden Linien bedeutet, dass es kurzfristig zu einer Änderung des langfristigen Trends gekommen ist.

Häufig wird dabei der 50-Tage SMA und der 200-Tage SMA verwendet. 

Man unterscheidet dabei in das Bullishe Crossover und das Bearishe Crossover.

Ein Bullishes Crossover liegt vor, wenn der kürzer laufende gleitende Durchschnitt den länger laufenden Durchschnitt nach oben durchkreuzt. Man geht in diesem Fall von einem begonnenen Aufwärtstrend aus.

Ein Bearishes Crossover liegt vor, wenn der kürzer laufende gleitende Durchschnitt den länger laufenden Durchschnitt nach unten durchkreuzt. Man geht in diesem Fall von einem begonnenen Abwärtstrend aus.

Der Tageschart von Disney mit der 50-Tage-Linie (türkis) und der 200-Tage-Linie (gelb). Das Unterschreiten der 50-Tage-Linie unter die 200-Tage-Linie war ein starkes Signal für einen angehenden Abwärtstrend.

Auch hier muss man allerdings wieder sagen, dass der gleitende Durchschnitt (besonders mit einer so langen Periodenlänge) nur sehr langsam reagiert und man entsprechend erst sehr spät einen neuen Trend daran erkennt. Allerdings kommt es durch die langen Periodenlängen auch weniger zu Fehlsignalen.

Kursüberschneidungen

Die Kursüberschneidung bzw. auch Price Crossover genannt, funktioniert ähnlich wie die Überschneidung zweier gleitender Durchschnitte allerdings nimmt man hier noch den Kursverlauf der Aktie mit hinzu.

Man unterscheidet dabei ebenfalls in das Bullishe Price Crossover und das Bearishe Price Crossover.

Ein Bullishes Price Crossover liegt vor, wenn der Aktienkurs über dem länger laufenden gleitenden Durchschnitt liegt (d.h. langfristiger Aufwärtstrend) und den kürzer laufenden gleitenden Durchschnitt nach oben durchbricht (d.h. kurzfristiger Aufwärtstrend).

Ein Bearishes Price Crossover liegt vor, wenn der Aktienkurs unter dem länger laufenden gleitenden Durchschnitt liegt (d.h. langfristiger Abwärtstrend) und den kürzer laufenden gleitenden Durchschnitt nach unten durchbricht (d.h. kurzfristiger Abwärtstrend).

Der Tageschart von Alibaba mit der 50-Tage-Linie (türkis) und der 200-Tage-Linie (gelb). Das Unterschreiten des Kurses unter die 50-Tage-Linie und der 200-Tage-Linie war ein starkes Signal für einen angehenden Abwärtstrend.

Übrigens könnt ihr nicht nur durch Trendindikatoren eure Gesamtrendite positiv beeinflussen sondern auch der Monat, in dem ihr investiert, hat einen entscheidenden Einfluss auf eure Rendite. Welcher Monat der beste und welcher der schlechteste zum (ver)kaufen ist, könnt ihr in diesem Artikel von mir nachlesen.

Wo kann man die gleitenden Durchschnitte für einzelne Aktien ansehen?

Wenn ihr zukünftig gleitende Durchschnitte für eure eigenen Analysen nutzen wollt, benötigt ihr ein professionelles Chartprogramm dafür. Ich nutze dafür TradingView und kann es euch auch nur empfehlen. Das Programm kostet zwar 15 EUR im Monat, aber es ist sein Geld wirklich wert. Solltet ihr euch auch für das Programm entscheiden, dann könnt ihr das gern über diesen Link machen. Dann bekommst du und ich zwei Monate geschenkt. Zusammen mit der 30 Tage Probezeit sind das schon 3 Monate gratis für dich.

Der gleitende Durchschnitt lässt sich in TradingView über den „Indikator & Strategie“ Button hinzufügen. Wenn sich das neue Fenster öffnet, such ihr dann nach „Gleitende“ und der Indikator taucht dann in den drei besprochenen Varianten auf. Einmal draufklicken und schon seht ihr den SMA, WMA oder EMA in eurem regulären Kurschart. 

Robby

Hi, ich bin Robby und Gründer dieses Blogs. Ich beschäftige mich schon seit 2006 mit dem Aktienmarkt. Zuerst als Privatanleger, dann von der theoretischen Seite im Studium und seit 2015 professionell bei einem der größten deutschen Asset Manager. Ich hoffe ich kann mithilfe dieses Blogs ein wenig von meiner Erfahrung mit euch teilen.

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