Was ist der RSI Indikator?


Momentumstrategien sind gerade unter Privatinvestoren sehr beliebt, da man in der Regel nichts weiter benötigt als ein gutes Charttool. Zu den am häufigsten genutzten Indikatoren zählt dabei der RSI, aber wie ist dieser Indikator eigentlich zu verstehen, welche Signale gibt er euch und wie könnt ihr damit ein besserer Händler werden? Ich verrate es euch in diesem Artikel.

Der Relative Stärke Index (kurz RSI) ist ein Momentum-Indikator, der angibt wie stark oder schwach sich eine Aktie bzw. ein Index gerade in einem Auf- oder Abwärtstrend befindet. Er kann nur Werte zwischen 0 und 100 annehmen, wobei man sagt, dass bei einem RSI von größer 70 die Aktie als überkauft gilt und bei einem RSI von kleiner 30 als überverkauft.

Der Indikator wurde bereits 1978 vom US-Amerikaner Welles Wilder in seinem Buch „New Concepts in Technical Trading Systems“ entwickelte und gilt seitdem als einer der häufigsten genutzten technischen Indikatoren überhaupt. 

Solltet ihr die Möglichkeit finden dieses Buch einmal in die Hände zu bekommen, solltet ihr es unbedingt kaufen. Selbst wenn man kein großer Fan der technischen Analyse ist, ist es dennoch ein unheimlich gutes Werk, um die Thematik besser zu verstehen.

Die Funktionsweise des RSI ist dabei, dass er prüft, wie hoch die durchschnittliche Gewinnrendite einer Aktie in einem gegebenen Zeitraum war und das ins Verhältnis setzt mit der durchschnittlichen Verlustrendite in derselben Periode.

Mir fällt dabei immer wieder auf, dass nur die wenigsten wirklich verstanden haben, wie der RSI funktioniert. Deswegen eine etwas genauere Erklärung zur Berechnung. Sollte euch das Thema nicht interessieren, könnt ihr den folgenden Abschnitt auch gern überspringen allerdings würde ich euch das nicht empfehlen. Man sollte schließlich nie einen Indikator verwenden, den man nicht komplett verstanden hat.

Das ist übrigens meine Detailanalyse zum RSI. Wenn ihr gern mehr über andere Trendindikatoren erfahren wollt und wie gut diese im Vergleich zueinander sind, dann solltet ihr euch meinen Artikel über die 5 wichtigsten Trendindikatoren durchlesen.

Die Berechnung des Relative Stärke Index

Ok, jetzt wird es wirklich etwas mathematisch, aber ich verspreche euch, dass ich neben der genauen Definition euch auch alles anhand eines einfachen Beispiels erkläre. Spätestens mit dem Beispiel sollte es jedem klar werden, wie die Berechnung funktioniert.

Der RSI berechnet sich, indem man von 100 den Quotienten aus 100 und der Summe von 1 plus der relativen Stärke einer Aktie abzieht wobei die relative Stärke sich aus der durchschnittlichen Gewinnrendite geteilt durch die durchschnittliche Verlustrendite berechnet.

Die Formel zur Berechnung des RSI ist dabei die folgende:

Die Formel zur Berechnung des RSI

Ich weiß, dass solche mathematischen Definitionen und Formeln schnell abschreckend wirken, weswegen ich euch das Ganze an einem Beispiel näher erläutern möchte. Stellt euch einfach vor, dass in den letzten 14 Tagen, die Apple Aktie an zehn Tagen um jeweils genau immer ein Prozent gestiegen ist und an den übrigen vier Tagen um jeweils immer genau 0,6% gefallen ist.

Die durchschnittliche Gewinnrendite berechnet sich als: 10 Gewinntage mal 1% entspricht insgesamt 10% geteilt durch 14 Tage (gewählte Periodenlänge) = 0,71%.

Die durchschnittliche Verlustrendite berechnet sich als: 4 Verlusttage mal 0,6% entspricht 2,4% geteilt durch 14 Tage (gewählte Periodenlänge) = 0,17%. Es ist dabei nur Zufall, dass die durchschnittliche Gewinn- und Verlustrendite „gespiegelt“ aussehen. 

Der RSI wäre in diesem Fall 80,7.

So lässt sich der RSI im obigen Beispiel berechnen.

Wichtig bei dieser Berechnung ist, dass die durchschnittliche Verlustrendite als positive Zahl in die Formel eingegeben wird. D.h. auch wenn im obigen Beispiel die Apple Aktie an vier Tagen immer 0,6% Verlust gemacht hat, dann ist die durchschnittliche Verlustrendite trotzdem 0,17% und nicht -0,17%.

Natürlich berechnet niemand mehr den RSI selbst mit dem Taschenrechner, aber mir war es wichtig euch noch einmal zu erklären, wie er sich zusammensetzt, damit ihr auch versteht, warum der Indikator z.B. manchmal fällt, obwohl der Aktienkurs sich eigentlich nach oben bewegt (dazu später mehr im Abschnitt „RSI Divergenzen“).

Der RSI lässt sich auch ganz einfach mit Excel berechnen. Wenn ihr die Renditen, so wie ich, untereinander in Spalte B aufgelistet habt, dann ist die Formel zur Berechnung des RSI in Excel für eine Periode von 14 Tagen (in orangene Zelle kopieren):

=100-(100/(1+(SUMMEWENNS(B2:B15;B2:B15;“>0″)/14)/ABS((SUMMEWENNS(B2:B15;B2:B15;“<0″)/14))))

Wenn ihr eure Daten in Excel wie im Bild angeordnet habt, könnt ihr die Formel einfach in Zelle C15 kopieren und dann nach unten ziehen, um euch den RSI selber zu berechnen.

Wenn ihr die Formel dann einfach weiter nach unten zieht, aktualisiert sich der RSI immer an das jeweilige Datum. Wem das zu schwierig ist, der kann das Excel File auch hier runterladen bzw. hier als Google Sheet. Gern geschehen.

Der RSI als Tradingindikator

Jetzt, nachdem ihr die technischen Hintergründe zum RSI kennt, schauen wir uns den Indikator aber einmal genauer an und wie er uns bei unseren Handelsentscheidungen helfen kann. 

Am einfachsten sieht man den Zusammenhang zwischen Aktienkurs und RSI mit einem Chartprogramm. Ich nutze dafür TradingView und kann es euch auch nur empfehlen. Kostet zwar 15 EUR im Monat, aber es ist sein Geld wirklich wert. Solltet ihr euch auch für das Programm entscheiden, dann könnt ihr das gern über diesen Link machen. Dann bekommst du und ich zwei Monate geschenkt. Zusammen mit der 30 Tage Probezeit sind das schon 3 Monate gratis für euch.

Der RSI lässt sich in TradingView über den „Indikator & Strategie“ Button hinzufügen. Wenn sich das neue Fenster öffnet, such ihr dann nach „RSI“ und der Indikator taucht dann unter dem Namen „Relative Strength Index“ auf. Einmal draufklicken und schon seht ihr den RSI unter eurem regulären Kurschart. 

Um den RSI in TradingView angezeigt zu bekommen, müsst ihr oben links auf den Knopf „Indikator & Strategies“ klicken und dann nach „RSI“ suchen.

Die Standardperiode für den RSI ist dabei immer 14 Tage aber wir schauen uns gleich an, ob das eine gute Einstellung ist. Zuerst schauen wir uns aber einmal den RSI Chart genauer an. Die lila Linie ist der RSI und die gelbe Linie ist der gleitende Durchschnitt des RSI mit ebenfalls 14 Tagen als Berechnungsperiode. Der gleitende Durchschnitt wird nicht zwangsläufig benötigt, aber er wird bei TradingView als Default mit angezeigt.

Standardmäßig wird beim Relative Stärke Index der Bereich zwischen 30 und 70 hervorgehoben sowie die Mittellinie bei 50. Wenn der Kurs einer Aktie steigt, dann steigt in der Regel auch der RSI und wenn die Aktie fällt, dann fällt der RSI. 

Ist der Indikator größer als 70 geht man davon aus, dass der Aktienkurs zu schnell zu stark gestiegen ist und demnächst bald wieder fallen sollte. Andererseits geht man bei einem RSI von kleiner 30 davon aus, dass der Aktienkurs zu schnell zu stark gefallen ist. Entsprechend ist dies häufig ein Zeichen, dass der Kurs bald wieder steigen bzw. sich normalisieren sollte.

Oben der Kurschart des DAX und unten der RSI.

Die Grenzwerte von 30 und 70 wurden von Welles Wilder bereits bei seiner Vorstellung des Indikators 1978 vorgeschlagen aber eine richtige Erklärung für diese Einteilung konnte Wilder auch nicht liefern. Allerdings zeigen sich diese Grenzwerte in der Praxis als sehr aussagekräftig.

Die Strategie beim Handeln mit dem Relative Stärke Index ist, dass eine Aktie bei einem RSI von 70 oder mehr als überkauft gilt und das der momentane Aufwärtstrend bald enden sollte oder der Aktienkurs sogar wieder fallen sollte. Bei einem RSI von 30 oder weniger gilt eine Aktie als überverkauft und man sollte mit bald wieder steigenden Kursen rechnen.

Bei einem RSI von über 50 spricht man im Allgemeinen von einem Aufwärtstrend bzw. Bullenmarkt und bei einem RSI von unter 50 von einem Abwärtstrend bzw. Bärenmarkt.

Die gerade erwähnte 30 und 70 Strategie lässt sich aber auch noch ein wenig optimieren. 

Befindet sich eine Aktie in einem übergeordneten Aufwärtstrend gilt die Aktie bereits bei einem RSI von kleiner 40 als überverkauft und in einem übergeordneten Abwärtstrend bei einem RSI von größer 60 als überkauft. 

Ich selbst nutzte aber nur die klassischen 30 und 70 Barrieren für meine Analysen.

Wie gut oder schlecht der Indikator Trends oder Trendwenden anzeigt bzw. vorhersagt, können wir uns im folgenden Chart anschauen. Ihr seht hier den Kursverlauf von Altria, dem Zigarettenhersteller. Ich habe euch mit den roten Kreisen die Kauf- und Verkaufssignale markiert. D.h. immer dann war der RSI größer 70 oder kleiner 30. In diesen Fällen war der RSI extrem hilfreich und hat eine Trendwende vorhergesagt.

Oben der Kurschart von Altria und unten der RSI. Ich habe einige Kauf- und Verkaufssignale hervorgehoben.

Allerdings hat der RSI auch nicht eine 100%ige Trefferquote. Der blaue Kreis hat zum Beispiel ein Kaufsignal ausgelöst und der Kurs der Aktie sank danach dennoch weiter. 

Natürlich ist das auch nur ein Chart von unendlich vielen und bei manchen Aktien funktioniert der RSI besser als bei anderen. Eine allgemeine Faustregel ist dabei, dass der RSI umso hilfreicher ist, desto volatiler die Aktie bzw. das Underlying ist. Deswegen ist der RSI auch im Krypto-Bereich extrem beliebt. 

Ihr solltet den RSI also nie allein für eure Kaufentscheidung nutzen und immer eine tiefergehende Analyse durchführen. Ich selbst nutze den RSI auch nur als „zweite Meinung“. D.h. bei meiner Aktienauswahl suche ich immer nach Aktien, die einen eindeutig klaren Trend aufweisen. 

Microsoft ist für mich immer das Paradebeispiel für einen einfach zu erkennenden Trend. Habe ich so eine Aktie gefunden, nutze ich den RSI dann, um einen geeigneten Kauf- oder Verkaufszeitpunkt zu finden. Der RSI hilft mir also nur einen geeigneten Ein- oder Ausstiegspunkt für eine Aktie zu finden, aber ich nutze ihn nie, um Aktien zum Kaufen oder Verkaufen zu finden. Dazu habe ich meinen eigenen Selektionsprozess und der RSI hilft mir dann nur beim Timing.

Denkt aber daran, nicht zu lange auf den richtigen Zeitpunkt zu warten bzw. auf einen Dip weil Buy-The-Dip langfristig nicht die beste Strategie ist. Wer mehr dazu erfahren will, kann das hier in meinem Artikel zu dem Thema tun.

Die richtige Periodenlänge

Die Standardperiodenlänge beim RSI ist 14 Tage. Einige Händler nutzen auch nur sieben Tage oder zwölf Tage aber meiner Meinung nach spielt das nicht wirklich eine Rolle. Umso kürzer die Periodendauer ist, desto mehr Kauf- und Verkaufssignale werden generiert aber umso höher ist auch die Fehlerrate der Signale.

Je länger die Periodenlänge ist, desto weniger Signale werden generiert, aber dafür ist die Fehlerrate der Signale auch geringer. Schauen wir uns das Ganze aber an einem Beispiel an.

Oben der Kurschart von Altria und unten der RSI mit 7 Tage Periodenlänge (gelb) und 14 Tage Periodenlänge (lila).

Die Grafik zeigt oben erneut den Kursverlauf von Altria und unten zweimal den Relative Stärke Index. Die lila Linie ist dabei der RSI mit 14 Tagen Periodenlänge und die gelbe Linie der RSI mit sieben Tagen Periodenlänge. Es wird dabei sofort ersichtlich, dass der RSI mit 7 Tage Periodenlänge deutlich volatiler ist und viel häufiger über die Schwelle von 70 steigt bzw. unter die Schwelle von 30 fällt.

Ich habe euch dabei zwei Signale des kurzlaufenden RSI markiert. Das erste Signal (links) wurde vom 7-Tage-RSI angezeigt aber nicht vom 14-Tage-RSI. Es zeigt sich aber, dass es sich um ein Fehlsignal handelt, da es hier noch nicht sinnvoll gewesen wäre, die Aktie zu verkaufen.

Anders sieht es aber beim zweiten Signal (rechts) aus. Hier gab es ebenfalls wieder vom 7-Tage-RSI ein Verkaufssignal aber nicht vom 14-Tage-RSI, allerdings handelt es sich hierbei um ein gutes Signal, da es wirklich sinnvoll gewesen wäre, die Aktie zu diesem Zeitpunkt zu verkaufen.

Ihr könnt also mit den Periodenlängen herumexperimentieren, aber keine wird euch einen perfekten Indikator liefern. Ich bleibe deswegen bei 14 Tage als Periodenlänge, weil einfach jeder am Markt damit arbeitet und ich somit am RSI auch ablesen kann, wie andere Marktteilnehmer womöglich reagieren werden.

RSI Divergenzen

Zum Schluss möchte ich noch auf ein etwas professionelleres Thema beim Relative Stärke Index eingehen: der Divergenzanalyse.

Eine RSI-Divergenz liegt vor, wenn sich der RSI in eine andere Richtung als der Aktienkurs bewegt. Man spricht von einer bärischen Divergenz, wenn der Aktienkurs höhere Hochs erreicht, während der RSI tiefere Hochs erzeugt und von einer bullischen Divergenz, wenn der Aktienkurs tiefere Tiefs erreicht, während der RSI höhere Tiefs erzeugt. 

Der Tageschart des Bitcoins. Hervorgehoben sind die Divergenz-Bereiche des RSI.

Ihr könnt hier den Bitcoin Chart sehen und in den markierten Bereichen steigt beide Male der Kurs des Bitcoins während der RSI in derselben Zeit fällt.

In der Theorie deutet so eine Divergenz sehr häufig eine Trendwende an und ich möchte euch erklären, warum das so ist. Wichtig ist hierbei aber, dass ihr genau verstanden habt, wie sich der RSI zusammensetzt. Sollte das folgende also nicht direkt einleuchtend sein, solltet ihr euch noch einmal den oberen Abschnitt zur Berechnung des RSI durchlesen.

Starten wir mit der bärischen Divergenz. Hier steigt der Aktienkurs aber der RSI fällt, wie im obigen Bitcoin Chart. Damit es zu so einer Konstellation kommen kann, muss natürlich der Aktienkurs steigen aber in einem ganz bestimmten Muster. Insgesamt gibt es zwar ein Kurswachstum aber die täglichen Gewinne müssen immer geringer im Vergleich zu den Kursverlusten ausfallen. 

Im Chart sieht man das an täglich kleiner werdenden grünen Kerzen, während die roten Kerzen mehr oder weniger unverändert bleiben. Für euch bedeutet das also, dass die Aktie langsam an Momentum nach oben verliert und entsprechend bald eine Korrektur nach unten beginnen könnte.

Genau das Gegenteil ist bei der bullischen Divergenz der Fall. Hier fällt der Aktienkurs, während der RSI steigt. Für diese Konstellation ist Voraussetzung, dass die Kursgewinne langsam beginnen größer auszufallen im Vergleich zu den täglichen Kursverlusten. D.h. es gibt weniger bzw. kürzer werdende rote Kerzen im Chart während die grünen Kerzen entweder gleich bleiben bzw. sogar immer größer werden.

So eine Konstellation bedeutet, dass der Aktienkurs immer mehr an Momentum nach unten verliert und entsprechend bald eine Korrektur nach oben beginnen könnte.

Wie bereits schon erwähnt, solltet ihr solche Analysen mithilfe des RSI aber nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage für eure Käufe und Verkäufe nutzen. Benutzt es stattdessen eher als ein Argument von vielen.

Robby

Hi, ich bin Robby und Gründer dieses Blogs. Ich beschäftige mich schon seit 2006 mit dem Aktienmarkt. Zuerst als Privatanleger, dann von der theoretischen Seite im Studium und seit 2015 professionell bei einem der größten deutschen Asset Manager. Ich hoffe ich kann mithilfe dieses Blogs ein wenig von meiner Erfahrung mit euch teilen.

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